Digitaler Austausch um Wald und Tierwelt 4. Wissenschaftliches Symposium im Steigerwald-Zentrum in Handthal

Ende April veranstaltete das Steigerwald-Zentrum bei schönstem Frühlingswetter das inzwischen vierte Naturschutzsymposium.

 

Dieses Symposium findet alle zwei Jahre statt und wird vom Forstbetrieb Ebrach sowie dem Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt gemeinsam mit dem Steigerwald-Zentrum organisiert. Im Mittelpunkt stehen aktuelle Forschungsergebnisse zum Waldnaturschutz in bewirtschafteten Wäldern.

Die Corona-Situation drückte der Veranstaltung ihren Stempel auf: Referenten und Teilnehmer standen in rein digitalem Austausch. Die übliche Waldexkursion musste entfallen. Damit war mehr Zeit für Vorträge. Das Angebot war mit 22 Vorträgen so groß wie nie zuvor. Dazu finden Interessierte weitergehende Inhalte im Internet unter https://steigerwald-zentrum.de/4-wissenschaftliches-symposium/.

Aufbau klimafester Wälder

Den Auftakt machte die Bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Michaela Kaniber mit ihrem Grußwort „Waldnaturschutz – eine zentrale Aufgabe bayerischer Forstpolitik“. Eingangs betonte sie, der Schutz der natürlichen Lebens-grundlagen im Wald habe noch nie ein so breites gesellschaftliches Interesse hervorgerufen wie heute. Die Waldbewirtschafter stehen in einer besonderen Verantwortung für die Vielfalt in den Wäldern. Durch den Klimawandel drohe ein großer Teil der biologischen Vielfalt verloren zu gehen. Um diese Entwicklung zu bremsen, sei aktiver Klimaschutz notwendig. Dazu leisten Wälder einen wertvollen Beitrag.
Der Staat stelle aktuell so viel Geld für den Aufbau klimafester Zukunftswälder zur Verfügung wie nie zuvor.

Bayern gehe weiter den Weg des „Schützen und Nützen“ im Wald. Die Wissenschaft beweise, dass dieser Weg erfolgreich sei, z. B. angesichts der positiven Entwicklung von Waldvögeln und Naturnähe der Wälder. Studien zeigen aber auch, dass z. B. Totholz bewohnende Insekten weniger werden. Man dürfe sich deshalb nicht auf dem Erreichten ausruhen. Daher stärkt die Staatsregierung das Vertragsnaturschutzprogramm Wald und weitet die Forschungsaktivitäten im Wald aus.

Trockenschäden in Buchenwäldern

Der erste Vortragsblock beschäftigte sich mit den seit Frühjahr 2019 in den Buchenwäldern sichtbaren neuartigen Trockenschäden. Sie sind Folge der Hitze- und Trockenjahre seit 2018. Intensiv wird daran gearbeitet, wie die Schäden großräumig mittels Satelliten-auswertungen erhoben und die Schadensentwicklung verfolgt werden kann. Dr. Rudolf Seitz von der bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft stellte die technischen Möglichkeiten anhand von zwei Untersuchungsräumen bei Würzburg und Ebrach anschaulich dar.

Weitere Untersuchungen zeigen, dass Buchen bei extremer Trockenheit ihre Blattöffnungen nicht vollständig schließen und damit über die Blattoberfläche weiter kontinuierlich Wasser verdunsten. Dadurch kommt es zu teilweiser Embolie der Wasserleitungsbahnen im Baum. Mittels Isotopenanalyse wurde der Einfluss der Waldstruktur auf die Trockenschäden erforscht. Je stärker der Baum ist, desto stärker fiel der Trockenstress aus, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Schuldt von der Universität Würzburg.

Waldnaturschutz in Bayern

Im zweiten Vortragsblock ging es um den Waldnaturschutz in Bayern und grundsätzliche Forschungsansätze. Dr. Stefan Nüßlein vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gab einen Überblick über die Herausforderungen, die vielfältigen Instrumente und die zukunftsweisenden Perspektiven des Waldnaturschutzes in Bayern. Er unterstrich, dass der Schutz des Klimas und der Schutz der Biodiversität untrennbar miteinander verbundene Herausforderungen für den Wald sind.

Zum Schutz der Biodiversität wurden die staatlichen Fördermittel des Vertragsnaturschutzprogramms Wald auf 8,4 Millionen Euro aufgestockt und dieses Programm um neue Fördermaßnahmen wie der Erhalt von Altholzinseln weiterentwickelt. Auch im waldbaulichen Förderprogramm sind neue Maßnahmen zu seltenen Baumarten und der Gestaltung von Waldrändern aufgenommen. Die Bayerische Forstverwaltung etabliert gerade sieben Fachstellen mit Experten für Waldnaturschutz, die sich u. a. um die Umsetzung von Natura 2000 Maßnahmen und die Initiierung von Naturschutzprojekten kümmern. Eine Fachstelle für Unterfranken entsteht in Würzburg.

Reinhardt Neft, Vorstand der Bayerische Staatsforsten stellte neu ausgewiesene Naturwälder in Bayern im Detail vor. 58.000 Hektar sind seit 2. Dezember 2020 dauerhaft nutzungsfrei gesichert, bis 2023 sollen es 10% der Staatswaldfläche sein. Einer dieser neuen Naturwälder liegt im Steigerwald, der großflächige Naturwald „Knetzberge – Böhlgrund“ mit rd. 850 Hektar. Mit der Ausweisung der Naturwälder werden drei Ziele verfolgt: sie leisten einen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Biodiversität, sie sollen – wo möglich – für die Gesellschaft besonders erlebbar werden und sie sind Referenzflächen für die Entwicklung naturnaher Wälder im Klimawandel.

Expertin aus Kanada

Aus Kanada war zugeschaltet die Biologin Lenore Fahrig. Sie hat die Wirkung einzelner großer Schutzgebiete im Vergleich zur Wirkung vieler kleinerer Gebiete umfassend untersucht (siehe separater Bericht). Professor Dr. Jörg Müller von der Universität Würzburg beschäftigte sich mit dem Thema Habitatmenge und Vernetzung. Er zeigte, dass Insekten und Pilze eine größere Ausbreitungsfähigkeit haben, als bisher angenommen. Das gilt z. B. auch für den im Steigerwald nachgewiesenen Eremit, einen sehr seltenen, in Baumhöhlen mit Mulm lebenden Käfer. Nahm man früher an, seine Ausbreitungsstrecke betrage ca. 200 Meter, weiß man heute, dass diese bei 3 – 4 Kilometer liegt.

Entscheidend ist, dass die notwendigen, zum Teil sehr speziellen Lebensräume im Wald ausreichend vorhanden sind, wie zum Beispiel Baumhöhlen mit Mulm. Dieser Mulm besteht aus zersetzten Holzresten, den Ausscheidungen der Baumhöhlenbewohner und den Stoffwechselprodukten von Bakterien, Pilzen und Insekten.

Trittsteinkonzept in Ebrach

Ulrich Mergner schilderte seine 15 jährige Erfahrung mit dem „Trittsteinkonzept“ im von ihm geleiteten Forstbetrieb Ebrach. Anschließend würdigte Herr Neft die Verdienste von Herrn Mergner, der ab Mai in den Ruhestand tritt. In den Mittelpunkt stellte er die Visionen und vielfältigen Impulse von Herrn Mergner für den Waldnaturschutz im Staatswald. Gleichzeitig kündigte Herr Neft an, dass auch mit der neuen Leiterin des Forstbetriebs Ebrach, Barbara Ernwein, die Bayerische Staatsforsten das bewährte Naturschutzsymposium gemeinsam mit der Bayerischen Forstverwaltung fortsetzen werden.

Sturmschäden von 2018

Zu Beginn des zweiten Vortragstages standen die Schadflächen des Sturmes Fabienne im Mittelpunkt. Im September 2018 schlug der Sturm eine Schneise der Verwüstung durch die Wälder am Anstieg und auf der Hochfläche des Steigerwalds. Der Forstbetrieb Ebrach stellte kurzfristig Schadflächen im Laubwald für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung. Hier wurden die vom Sturm geworfenen bzw. gebrochenen Bäume unterschiedlich intensiv aufgearbeitet: von keiner bis zu intensiver Aufarbeitung reichte die Spanne.

Nun liegen erste Untersuchungsergebnisse vor, welche Arten auf den Flächen zu finden sind. Dr. Simon Thorn von der Universität Würzburg fasste für Käfer und Wildbienen zusammen, dass die Besonnung wichtiger ist als die Höhe der Totholzmenge. Markus Bräu, Biologe aus München, stellte die gegenüber dem geschlossenen Wald unerwartet hohe Artenvielfalt von Wanzen auf den Sturmwurfflächen dar. Auch er merkte an, dass die Mobilität vieler Arten in der Vergangenheit wohl „massiv unterschätzt“ wurde.

Forschungsergebnisse zu Käfern
Benjamin Henneberg stellte die Zwischenergebnisse eines Forschungsprojekts in drei Betrieben der Bayerische Staatsforsten zu den Käfern in Mulmhöhlen vor. Die Käferdiversität sei abhängig von der Baumartenzusammensetzung: Im Laubmischwald vom Forstbetrieb Ebrach hat die Totholzmenge einen positiven Einfluss, im Nadelwald des Forstbetriebs Fichtelberg ist es der Anteil beigemischter Buchen.

Heike Feldhaar von der Universität Bayreuth widmete sich den Ausbreitungsbeschränkungen sensibler xylobionter Arten, inwieweit ein Austausch zwischen Mulmhöhlen möglich ist. Dazu führte sie populationsgenetische Analysen zur Ausbreitung durch. Sie kam zu dem Schluss, dass die Mulmhöhlenspezialisten mehr Mulmhöhlen für stabile Populationen benötigen. So müssen vorhandene Höhlenbäume konsequent erhalten werden ebenso Bäume, bei denen sich Höhlen erst künftig entwickeln. In seinem hochinteressanten Vortrag zeigte Peter Kriegel von der Universität Würzburg, dass bisherige Pilzkartierungen an Totholz, die lediglich zum Zeitpunkt der Fruchtkörper-Bildung möglich waren, nur ein unvollständiges Bild ergaben. Werden Pilze im Totholz dagegen mit genetischen Methoden untersucht, ergibt sich ein deutlich artenreicheres Bild. An Eichen wurden dabei die meisten genetisch differenzierten Arten aller Baumarten festgestellt.

Salamanderpest bei Ebrach

2020 erschreckte die Zeitungsschlagzeile den Steigerwald, dass von der Salamanderpest befallene Feuersalamander bei Ebrach gefunden wurden. Wie Biologe Jürgen Thein ausführte, ist diese Pilzkrankheit vermutlich über den Tierhandel aus Asien nach Mitteleuropa eingeschleppt worden. In der Eifel kam es bereits zu hoher Mortalität beim Feuersalamander. Das Büro von Herrn Thein untersucht im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt seit letztem Jahr den Gesundheitszustand der Population im Steigerwald. Bisher wurden 3 tote und etwa 10% infizierte Feuersalamander festgestellt. Aktuell wird diskutiert, mit welchen Vorsichtsmaßnahmen eine weitere Verbreitung der Krankheit eingedämmt werden kann.

Da kann jeder Waldbesucher selbst mithelfen (siehe Info-Kasten). Mark-Oliver Rödel vom Naturkundemuseum Berlin berichtete über erste Erfahrungen bei der aktiven Behandlung befallener Feuersalamander. Dabei werden befallene Feuersalamander gefangen und mit Wärme über 25 Grad behandelt. Nach Monaten konnte eine erfolgreiche Heilung festgestellt werden. Herr Rödel unterstrich, dass der faszinierende Feuersalamander einen dunklen, feuchten Laubwald braucht mit möglichst vielen Mikrostrukturen wie Totholz. Dann stehen ihm ausreichend Winterquartiere zur Verfügung. Hat er nur wenige Winterquartiere, bilden sich dort größere Gruppen von Feuersalamandern und es kommt leichter zur gegenseitigen Ansteckung mit dem Pilz.

Foto: Stefan Thierfelder
Hygienemaßnahmen, um die Verschleppung der „Salamanderpest“ aus dem Steigerwald in weitere Feuersalamandergebiete, z. B. Rhön oder Haßberge zu verhindern:
  •  Wege nicht verlassen, Hunde an die Leine
  • Waldbäche, Tümpel und Feuchtbereiche im Wald nicht betreten und durchqueren
  • Keine Amphibien anfassen
  • Schuhe und Hundepfoten beim Verlassen des Waldes gründlich von anhaftender Erde reinigen

 

Raumnutzung des Mittelspechts

Im Schlussvortrag beleuchtete Martin Lauterbach von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft die Raumnutzung des Mittelspechts. Im Aussehen ähnelt er dem bekannteren Großen Buntspecht, ist aber etwas kleiner. Aktuelle Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der bayerische Bestand des Mittelspechts bisher unterschätzt wurde. Als Lebensraum sucht er Laubwälder, insbesondere Eichenwälder mit mindestens 6 Biotopbäumen pro Hektar und ausreichend Totholz. Eine besonders hohe Brutpaar-Dichte des Mittelspechts wurde im bekannten Eichenwald „Dianenlust“ am nordöstlichen Stadtrand von Schweinfurt festgestellt.

Bereichsleiter Stephan Thierfelder vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt beendete die Tagung mit einem besonderen Dank an Ulrich Mergner für die jahrelange intensive und fruchtbare Zusammenarbeit. Flächenwirksamer Waldnaturschutz in Bayern entscheidet sich nicht allein im Staatswald. Zwei Drittel des Waldes in Bayern gehören Privatpersonen und Kommunen. In den zurückliegenden 15 Jahren hatte Herr Mergner viele Forstbetriebsgemeinschaften mit ihren privaten Waldbesitzern sowie Gemeinderäte und Bürgermeister im Forstbetrieb Ebrach zum Thema Waldnaturschutz geführt und mit ihnen Umsetzungsstrategien diskutiert. Diese Impulse tragen Früchte über den Staatswald hinaus.

Redaktion SAZ

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