Kaufberatung gebrauchtes Mountainbike ✔ Geld gespart oder zu teuer gekauft? Wir geben Tipps

(KL)Die Corona-Pandemie hat Millionen Deutsche wieder aufs Rad zurück geholt. Die einen haben endlich Zeit gehabt, ihr altes verstaubtes Rad aus dem Keller zu ziehen und in Gang zu setzen, andere sind zum Bike-Dealer ihres Vertrauens und haben dort mal so richtig zugeschlagen: E-Bikes, auch für die Frau. Aber bitte als Fully und mit viel Federweg.

Wer nun etwas verspätet auf die Idee kommt, sich ein neues Fahrrad anzuschaffen, sieht sich mit teilweise enorm gestiegenen Preisen konfrontiert. Schnäppchen im klassischen Sinne gibt es neu fast nicht. Zumindest im Jahr 2021. Da sieht die Lage auf dem Gebrauchtmarkt noch etwas besser aus. Klar, wer ein neues Rad kauft, hat in der Regel seinen alten Drahtesel noch rumstehen. Und den inseriert man dann in den gängigen Kleinanzeigenportalen in Zeitungen und im Netz.

Der Verkäufer

Bietet sich vielleicht doch noch die Chance, für wenig Geld ein gutes Fahrrad zu erwerben? Ja, aber als Kaufinteressent ist man gut beraten, auf einige zentrale Punkte zu schauen. Beispielhaft geht es heute um Mountainbikes: Beginnen wir mit dem Rahmen. Bei Alurahmen gibt es in der Regel eine eingravierte Rahmennummer. Carbonräder haben oft nur einen Aufkleber. In beiden Fällen sollten die Nummern aber lesbar sein und idealerweise mit derjenigen auf der Originalrechnung übereinstimmen, falls der Verkäufer diese noch hat. Innerhalb der ersten zwei Jahre hat ein Neukäufer Garantie und wenn innerhalb dieser Zeit ein Rad bereits wieder verkauft wird und keine Rechnung vorliegt🤷‍♀️, sollte man direkt wieder gehen…

Der Rahmen

Hat man die Rahmennummer gefunden, kann man sich auf dessen Zustand konzentrieren. Dellen im Alu oder weiche Stellen im Carbon zeugen von Schäden. Insbesondere Carbon nimmt das Einklemmen des Rades an einem Radträger für den PKW sehr schnell übel. Drum verbieten das viele Hersteller. Ist man sich unsicher, so darf man an den üblichen Kontaktpunkten mit dem Daumen kräftig auf das Carbon drücken.  Das muss stabil und fest bleiben. Wenn nicht: Finger weg!

Kratzer und Lackschäden hingegen sind nur kosmetischer Natur und deren Bewertung hebt man sich für die Preisverhandlung auf.

Kratzer am Fahrradrahmen
Meist reicht ein Tupfer Lack

Die Federgabel

Weiter geht es mit der Federgabel. Als Neuteile kosten diese zwischen 50€ und 2000€. Da ist guter Rat teuer. Grob gesagt sind die günstigen Gabeln mit Stahlfeder eher wartungsarm, können im Alltag aber nur die gröbsten Stöße abfangen.

Günstige Federgabel
Hier ist eine Stahlfedergabel am Rad verbaut.

Sie haben also kein Ventil für Luft, wie die teureren Exemplare und sind dennoch eine gute Wahl für Gelegenheitsfahrer und Wartungsmuffel. Rost und Riefen an den verchromten Standrohren sind aber tabu. Die luftgefederten Gabeln sind wartungsintensiv. Ein Verkäufer, der sein Edelbike verkauft und keine Wartungsrechnung für die Gabel vorweisen kann braucht dann ein paar gute Argumente. Eine Gabelwartung kostet ab 80€ und wenn diese beispielsweise Luft verliert oder klackert, weil die Buchsen verschlissen sind kann es einige hundert Euro teuer werden. Gleiches gilt bei einem vollgefederten Rad für den hinteren Dämpfer. Die Änderung der Dämpferstandards auf Trunnion-Mount in den letzten Jahren lässt den Teiletausch darüber hinaus zum Geduldsspiel werden, weil die Vieles aus der Vorgeneration nicht mehr verfügbar ist.🤷‍♂️

Der Antriebsstrang

Eine Überprüfung der hinteren Ritzel (=Kassette) kann eigentlich nur per Sicht erfolgen.

Kette und Kassette
Eine 1×11 Schaltung am Gebrauchtrad

Idealerweise investiert man 5-10€ in eine Kettenlehre und misst in Sekundenschnelle die Kettenlängung. Ist diese-wie so häufig- völlig verschlissen, so ist zu befürchten, dass Kassette und Kettenblatt an der Kurbel auch tot sind. Das geht richtig ins Geld. Ganz grob kann man davon ausgehen, dass eine Kette um die 1500 km hält. Bei E-Bikes maximal 1000 km. Manchmal länger, manchmal kürzer. Aktuell verbauen Hersteller fast nur noch 1×12 Schaltungen. Vorne gibt es nur noch ein Kettenblatt, hinten eine große Kassette mit idealerweise mehr als 500% Bandbreite. An älteren Gebrauchträdern sind meist 1×11, 2×10, 3×10, 3×9 und 3×8 Versionen verbaut. Also bis zu drei Kettenblätter vorne und entsprechend kleine Kassetten hinten. Funktionierte früher und sollte das auch heute tun.

Die Laufräder

Der Zustand der Reifen ist nicht entscheidend. Dennoch geht ein Neukauf nunmehr auch richtig ins Geld. Einsteigerschluppen kosten bereits ab 20€ und Edelpellen auch mal 70€. Das Stück.

Verschlissene Reifen sind nicht das Problem
Laufräder auf Rundlauf prüfen

Wenn man die Reifen geprüft hat, kontrolliert man durch Drehbewegung auch gleich beide Laufräder. Höhen- und Seitenschlag sind tabu. Die Naben sollten geräuschfrei und ohne Spiel arbeiten.

Das Tretlager

Die vordere Kurbel ist eigentlich einfach zu checken: Kurbelarm fassen und in Richtung der Achse hin und her bewegen. Bei Spiel droht der Tausch der Tretlager.

Am Testbike ist schon eine neue Kurbel verbaut
Shimano XT. Edel.

Völlig verkratzte Kurbeln lassen auf eine hohe Laufleistung schließen.

Der Lenkkopf

Kaum Beachtung bei Vorbesitzern finden und fanden meist die Lenkkopflager. Diese sitzen oben und unten im Rahmenkopf und führen den Schaft der Federgabel. Kratzen oder Spiel im System bedeuten, dass man da ran muss. Meist genügt es diese auszubauen, zu reinigen, fetten und wieder zu montieren.

Die Bremsen

Als Letztes sind die Bremsen dran. Vorausgesetzt man hat ein Bike mit Scheibenbremsen vor sich sollte man beide Hebel kräftig ziehen. Haben diese einen spürbaren Druckpunkt? Wenn ja, dann ist das gut. Lassen sich die Hebel jedoch bis an die Lenkergriffe durchziehen, so kann das mehrere Ursachen haben. Luft im System, defekte Bremspumpe im Hebel, undichter Kolben im Bremssattel, verschlissene Bremsbeläge und sonstwas. Der Verkäufer sollte das gut erklären können. Die Bremsscheiben verschleißen glücklicherweise kaum.

Die Scheibenbremse am MTB
Bremsscheiben und Sattel sollten schleiffrei arbeiten

Aber sie tun es irgendwann dennoch. Mit dem Fingernagel erspürbare Kanten am Rand der Lauffläche zur Nabe hin sagen: Tausche mich aus!

Die Probefahrt

Nun folgt noch eine kurze Probefahrt. Am ehesten prüft man einwandfreies Schaltverhalten. Zickt das Schaltwerk, so kann es selber oder auch das Schaltauge, also die Befestigung defekt sein. Anfangen sollte man jedoch mit dem Zugspiel der Schaltung. Ist eine Besserung durch das Einstellrädchen damit nicht möglich, ist ein deftiger Preisabschlag nötig. Es gibt hunderte Typen von Schaltaugen und die Suche nach einem Neuen kann bei älteren Rädern zum Geduldsspiel ausarten. Die Gute Nachricht ist aber, dass fast alles lieferbar und auch günstig ist. Die Onlinerecherche hilft dabei oft schneller aus der lokale Händler. Bei älteren Schaltwerken kann die Ersatzbeschaffung auch schon mal mühsam sein. Meist passen aber auch neure Typen mit derselben Bandbreite.

Bremst das Rad gut und frei von Quietschgeräuschen und fühlt sich der Sattel fest und knarzfrei an, genauso wie der möglicherweise gefederte Hinterbau? Liegt der Lenker gut zur Hand und steht gerade?

Prima, dann gut verhandeln, kaufen, Spaß haben. Und die Rechnung aufheben!

(Fotos: Christian Klippel)

 

Christian Klippel

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