(KL)Der Bikeboom räumt landauf und landab die Läden der ansässigen Radhändler leer. Bereits jetzt im verregneten und kühlen Mai 2021 sind Velos mit Kult Charakter entweder bereits für die Saison ausverkauft oder im Lieferverzug.
Etwas leichter hat man es bei der Suche nach einem S-Pedelec. Ja richtig, die Fahrräder mit Kennzeichen und einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Genauer gesagt sind das STVZO-technisch gar keine Fahrräder mehr sondern Kraftfahrzeuge. Somit benötigt man als Eintrittskarte zum Kreis der S-Pedelec-Fahrer einen Führerschein der Klasse AM. Mindestalter 16, bzw. je nach Bundesland 15. Haftpflicht ist ein Muss, ebenso das bereits erwähnte Kennzeichen. Dafür kann man dann aber eine Teilkasko samt Diebstahlversicherung dazu erwerben. Für wenige Euro , was so bei anderen 25 Km/h-Pedelecs ziemlich umständlich und teuer ist.
So, nun aber genug des Prologs. Es ist ein Cube Kathmandu Hybrid 45 geworden.
Gedacht für einen täglichen Arbeitsweg von 32 Km. Einfache Strecke. Radwege (verboten) und Betonwege, Waldwege, Straßen. Das Kathmandu ist mit um die 26 kg sackschwer. Unfassbar stabil in der Anmutung und beim Fahren. Die Suntour Mobie 45 Federgabel hat die Trägheit einer Motorrad-Gabel und fährt sich ebenso stabil. Seltsam, da sich eine Pike, oder Fox 36 immer sahnig und verspielt anfühlen in den „Normalrädern“. Spannenderweise stört diese zähe Arbeitsweise aber überhaupt nicht. Da man mit einem Trekkingbike eher selten über Baumwurzeln und Treppen braust, lebt man gut mit der lethargischen Stabilität. Die ist auch bitter notwendig, da bei höherem Tempo jeder noch so breite landwirtschaftliche Weg recht schmal wird und überfahrene Frostaufbrüche ordentlich in das Fahrgestell knallen. Zum Glück sind die unkaputtbaren Schwalbe-Reifen mit wenig Luftdruck zufrieden und bieten dadurch auch in solchen Situationen einen Restkomfort.
Der Motor ist ein Bosch Performance Line Speed Mittelmotor. Er leistet übersichtliche 350W. Das sind 100 W Mehrleistung gegenüber den CX-Line Motoren. Das Drehmoment gar bleibt hinter deren 85 Nm und beträgt 75Nm.
Das reicht zum souveränen Dahingleiten mit etwa 35 Km/h im Tour Modus. Richtig gelesen. Das Reisetempo liegt etwa in dieser Region. Steilere Anstiege lassen die Geschwindigkeit durchaus in Richtung 15 Km/h sinken. Erstaunlich, dass der Motor so schnell am Limit ist. Die Balken der Motorunterstützung zeigen im Display vollen Ausschlag. Andererseits kann man im Sportmodus und auf ebenen Geläuf tatsächlich Tempo 45 über längere Zeit halten. Dann saugt der Motor aber auch ordentlich am Akku und die notwendige Trittfrequenz an der Kondition des Pedaleurs. Die 625 Wh als Downtube-Version leeren sich dann auf den 32 Km Arbeitsweg auf unter 50%. Ein Nachladen ist also im Büro oder wo auch immer sinnvoll, will man nicht im ECO- Modus nach Hause bummeln.
Auf einem Top Level befindet sich die Bremsanlage mit ihren Magura 4-Kolben-Stoppern vorne und hinten. Die MT-5 ist seit Jahren auch im härtesten Bike-Einsatz bei Profis die Referenz und hat das Kanthmandu 45 immer voll im Griff. Das grässliche Rattern ist den großen 203mm-Bremsscheiben geschuldet. Das ist bei Magura normal und sollte niemanden verunsichern. Eher schon die Anordnung der Bremshebel. Da das Cube Kathmandu 45 zulassungstechnisch ein Kraftfahrzeug ist, musste der Hersteller den Bremshebel für das Vorderrad nach rechts verlegen. Dafür gibt es dann aber auch Bremslicht und Hupe.
Eher langweilig gibt sich das allbekannte Intuvia-Bedienteil. Es bietet nicht die Konnektivität eines Kiox. Tracking oder gar Navigieren bleiben den teureren Boschs vorbehalten. Aber egal, ein Kilometerfresser braucht so etwas nicht. Etwas Augenmerk verlangt die Kette der 12-Gang Shimano XT Schaltung. Mehr als 1000 km hält diese nicht ohne sich übermäßig zu längen. Dann ist die Kassette auch gleich mit futsch und das wird teuer. Also lieber früher ans Wechseln denken.
Ansonsten gibt sich das Cube als kommodes Trecking Rad. Man sitzt sehr bequem und aufrecht am recht breiten Lenker. Die Verarbeitung des schick lackierten Rahmens ist top und wirkt unzerstörbar. Dennoch wird es teuer, wenn jemand hinten drauf rumpelt. Dann sind nicht nur das Rücklicht mit dem integriereten Bremslicht und das Schutzblech (aus Plastik) futsch sondern auch der angeschweißte Gepäckträger samt Fahrradrahmen. Autsch!
Bei den höheren Geschwindigkeiten ist vorausschauende Fahrweise in jedem Fall angebracht. Helmpflicht besteht bei S-Pedelecs ohnehin, aber es schadet sicher nicht, vor dem Kauf eine ausführliche Probetour zu unternehmen. Nicht für jeden ist ein S-Pedelec die passende Mobilitätslösung. Für alle anderen gilt: Man spart etwa 1/3 der Zeit, die man unmotorisiert oder (Normal-)Pedelec unterstützt benötigt. Und das Cube Kathmandu 45 ist eine klare Empfehlung.
Edit 7.6.2021: Die Kette war nach gut 850 km an der Verschleißgrenze angelangt und wurde ersetzt. Spannenderweise sprang diese dann im letzten Gang immer wieder mal über, was für erhöhten Verschleiß an der teuren Kassette spräche. Das wäre jedoch zu früh. Dieses Bauteil sollte eigentlich 5000 km halten, solange die Wechselintervalle der Ketten eingehalten wurden. Wir werden das beobachten und gegebenenfalls berichten. Einstweilen hat das Einschalten des Schaltwerksdämpfers für Abhilfe gesorgt.
Edit 5.7.2021: Das Einschalten des Bump Stoppers am Schaltwerk hat die Vorspannung nun so erhöht, dass die Kette auch im letzten Gang nicht mehr springt. Das ist akzeptabel. Die erste Nachtfahrt stand auch an und die LED-Lampe hat recht gut gefallen. Dabei schaffte sie es, sowohl den unmittelbaren Nahbereich als auch entferntere Teile der Straße zu erhellen. Der entstehende Lichtkegel ist birnenförmig und reicht auch für schnellere Fahrten. Das Abwinkeln auf Feldwegen ist hingegen immer noch nicht ganz ungefährlich, da unbeleuchtet. Für absolute Vielfahrer empfehlen wir ergänzend eine Helmleuchte, mit der man dann abseits des öffentlichen Straßenverkehrs zusätzlich so knifflige Bereiche erhellen kann.
Fotos: Christian Klippel
Die Kette sollte nach 1000km gewechselt werden? Das ist doch ein Tippfehler oder?
Das wäre ja alle 3 Wochen bei einem täglichen Weg von 64km.
Kann der Akku zum Laden im Büro entnommen werden oder muss das Rad mit ins Büro?
Mfg
Andreas
Nein, bei S-Pedelecs, zieht die Kraft des Mittelmotors erheblich an der Kette. Somit sind sowohl der Verschleiß von dieser aber auch des kleinsten Ritzels an der Kassette sehr hoch. Was auch einer der Gründe ist, dass Vielfahrer die Hinterradmotoren (Radnabenmotoren) empfehlen.