Test Radon Cragger 8.0 Modell 2022

Das Modell 2022 vom Cragger 8.0 im Gramschatzer Wald

Das Cragger von Radon ist ein Versender Rad. Mit 1899€ ist es preislich in der Mittelklasse angesiedelt. Fachhandelsräder zu dem Preis haben es schwer, die Ausstattung auf ähnlich hohen Niveau zu halten.

Nun ist es endlich soweit. Das Cragger 8.0 hat es in das Team der Mitarbeiter des Verlages geschafft. Kein Testrad, sondern ganz klassisch gekauft. Schon seit einigen Jahren stand es immer wieder auf der Wunschliste. Aber jedes Mal war es nach kürzester Zeit ausverkauft. Egal. Dieses Jahr hat es geklappt. Über was für ein Mountainbike sprechen wir jedoch? Das Cragger ist ein Trail-Hardtail mit 29 Zoll Laufrädern und Alurahmen. Der Lenkwinkel ist flach und die 130mm Federweg lassen es gestreckt und fast unhandlich wirken. Zum Glück bestätigt sich der Eindruck nicht. Im Gelände merkt man erst bergauf Gewicht und Dimension des Bikes. Das Modelljahr 2022 hat wie schon die Vorjahresmodelle eine ansehnliche Ausstattung. Die DVO Sapphire Federgabel ist hinlänglich bekannt an dem Modell. Die umfangreich einstellbare Forke wirkt neu und ungefahren noch stelzig und unmotiviert. Drum als Tipp: Erst mal ein Grundsetup ganz grob machen und einige Stunden fahren. Dann darf man sich die Mühe machen und das Gabel-Setup umfangreich erledigen. DVO gibt online genügend Informationen, damit alles perfekt eingestellt ist. Wir waren ganz angetan, sehen aber keinen Vorteil gegenüber einer Fox 34 oder Pike. Muss aber auch nicht sein, man ist auf Augenhöhe.

Die Schaltung ist die bekannte SRAM GX mit dem Lunar Schaltwerk, das zusammen mit der verbauten Kassette 520% Bandbreite schalten kann. Mehr geht aktuell nicht. Shimano schafft mit seinen 1×12 Antrieben immerhin 510%. Uns hat extrem genervt, dass das Rad „out of the box“ eine hakelige Schaltbarkeit hatte. Ungewöhnlich bei der überarbeiteten GX. Ein Blick auf die Zugführung gab dann Aufschluss: Hier hatte der Monteur gepatzt und das Plastikteil am unteren Rahmenaustritt zerstört, so dass der Zug mit der Hülle zu viel Spiel hatte und damit das Schaltwerk unpräzise angesteuert wurde.

GX raus, GX AXS rein

Wir waren so genervt, dass wir direkt auf die AXS GX umgerüstet haben. Also kein Kabel, kein Zug mehr. Stattdessen ein recht großes Schaltwerk, das den Akku trägt und das superleise und superpräzise die Gänge wechselt. Der Anbau ist recht einfach, aber für die Justierung sieht man am Besten das Tutorial von SRAM auf Youtube an. Dann klappt das. Das abgebaute Schaltwerk wandert mitsamt dem Schalthebel an ein anderes Rad. Somit hat man kein Geld in den Sand gesetzt.

Die Laufräder kommen seit diesem Jahr von Newmen. Die Performance 30 gibt es nur OEM und nicht beim Dealer der Wahl. Die extrem leise Fade-Nabe ist nicht Sache von Radfahren, die ihre Fettpackungen aus den Freiläufen heraus kratzen, um mehr Lärm zu erzeugen. Auch wir waren ernüchtert. Nahezu unhörbar. Macht das Bock im Wald? Ganz klar: Ja, es macht Spaß. Zusammen mit der leisen elektronischen Schaltung gleitet man durchs Grün und hört die Vögel zwitschern und Zweige brechen. Ein ganz neues Gefühl. Ein gutes Gefühl. Eins mit der Natur sein macht auch Laune.

Anbauteile und Gewicht

Und der Rest? Von e-thirteen kommen Dropper-Post, Vorbau und Lenker. Ja, das passt schon. Da der Lenker mit 800 mm Breite recht breit und auch nicht sonderlich leicht ist, wird er trotzdem einem 760 mm breiten Carbonteil weichen.

Das Gewicht ist mit 14 Kg inklusive Pedale recht hoch. Das liegt aber nicht am Rahmen, der mit etwa 1850g noch als leicht zu bezeichnen ist. Vielmehr sind u.a. die superklebrigen Maxxis Mignion DHF und DHR mit Exo+ Karkasse und Maxterra-Mischung Schuld. Und die Magura MT5 vorne und hinten. Dafür können die auch mal die Plose in Südtirol 800 Höhenmeter am Stück herunter donnern ohne zu verglühen. Und das mehrfach…

Fahrrad vom Versender: Alles sorgenfrei?

Was fiel uns sonst auf? Die Anbauteile waren nicht alle korrekt angezogen. Von der Zugführung haben wir schon berichtet. Die Klemmung des Lenkers war unten komplett locker. Nicht gut und man kann das leicht übersehen. Die vordere Bremse hat recht heftig geschliffen. Das Öffnen der Bremssattelschrauben ging noch. Nach dem Justieren war die untere Schraube nicht mehr festzudrehen. Da wir nur mit Drehmomentschlüssel an solche wichtigen Bauteile gehen hat wohl der Monteur des Herstellers etwas zu viel Kraft gehabt. Also musste noch ein neuer Adapter bestellt werden. Nervig und gefährlich. Wer nicht gerne schraubt und keine Garage mit dem passenden Werkzeug parat hat, der sollte sich lieber beim Fachhändler umsehen.

Etwas seltsam ist die verbaute Dimension des Vorderreifens. Es handelt sich um einen 2,5″ breiten Pneu. Eigentlich gut, aber dadurch passt der serienmäßig mitgelieferte Mudguard von DVO nicht. Es schleift das Profil. Davon geht die Welt sicher nicht unter, aber mit einem 2,4″ Reifen wäre die Montage möglich. Muss man nicht verstehen. Allessamt eher Kleinigkeiten, wenn man weiß, wo man hin schauen muss.

Trails pur

Wie fährt das Cragger denn nun und was ist das gedachte Einsatzgebiet? So ein Cragger kann alles außer Wettrennen. Wer also XC-Rennen gewinnen möchte, der darf gerne woanders suchen. Die vielen Trails vor der Haustüre, technische Sektionen der Bergab-Fraktion und die unendlichen Lines der Bike-Regionen wie Saalbach sind hingegen die Orte, an denen sich das Cragger wohl fühlt. Eine angenehme Eigendämpfung dank niedriger Luftdrücke der Widetrail-Reifen und die extrem klebrige Gummimischung schaffen Vertrauen, wie wir es selten erlebt haben. Die DVO bügelt alles weg, was da herum liegt ohne Unruhe zu schaffen und die Maguras bremsen uns wieder sicher ein. Wir werden aber noch auf die Einfingerhebel umrüsten, denn festhalten sollte man den Lenker schon. Die Sellaronda beispielsweise ist so eine Strecke, bei der man vier Finger am Lenker haben muss und mit einem Finger alleine die Bremse bedient. Wer nur Waldwege fährt und den nächsten Biergarten ansteuert, der kann natürlich alles so lassen. Und sich an einer selten gewordenen Radgattung freuen: Alu, Hardtail, ordentlich Federweg, hochwertige Ausstattung, preiswert, ohne Motor. Wir freuen uns auch. Auf eine coole Saison mit dem Cragger!

Einige Wochen später

Einige Arbeiten haben wir zwischenzeitlich noch erledigt. Was uns nicht gefallen hat war das 32`er Kettenblatt. Heftige Anstiege, die wir mit einem 27,5`er MTB immer halbwegs gut weggesteckt hatten wurden zur Qual. Ein 30`er Ersatz in der 3mm Offset-Boost-Variante macht nun erfreulichen Dienst. Der geklebte Kettenstreben-Schutz wich einer Variante aus Neopren. und zu guter Letzt haben wir die sinnfreie Kettenführung durch einen Bash-Guard ersetzt. Eine Kette ist uns bislang weder bei Shimano noch bei Sram 12-fach Antrieben gepurzelt. Den einen oder anderen Aufsetzer beim Überfahren von Baumstämmen oder größeren Geröllfeldern hingegen wird der neue Schutz von e`thirteen wegstecken und das Tretlager schonen.

Die Gabel tut nach etwa 300 km zunehmend runder fluffiger ihren Dienst. Heftigste Bergabfahrten über Geröll und Wurzelteppiche schluckt sie sehr komfortabel weg. Das können 100mm-Gabeln nicht ansatzweise. Auch der Flowtrail am Neustädter Haus in der Rhön macht Freude. Bei der im Sommer 2022 herrschenden Trockenheit bewährten sich dort auch die Maxxis DHF und DHF Schluppen. Die rutschen selbst in den fiesen Anliegern genauso wenig wie auf Schotter. Zumindest solange man es nicht zu bunt treibt. Aus dem Grund haben wir sie auch noch nicht gegen leichtere und leichter laufende Reifen getauscht.

Die GX AXS macht jeden Tag aufs Neue Freude. Schaltgenauigkeit und Tempo sind perfekt. Die Ruhe, wie die Schaltvorgänge vonstatten gehen können gefallen. Hoffen wir nur, dass nicht irgendein Stein das Schaltwerk mal beschädigt. Weil knapp 300€ für einen Austausch sind schon heftig.

Text und Fotos: Christian Klippel

Eine Antwort auf “Test Radon Cragger 8.0 Modell 2022

  1. Hallo, mir hat ihr Testbericht sehr gut gefallen. Ich bin gerade am überlegen mir einen Cragger 8.0 zu bestellen, obwohl ich bei 80% der Touren auf normalen Radwegen unterwegs bin, hat es mir das Cragger irgendwie angetan, obwohl ich es noch nicht gefahren bin. Meine Frage an Sie wäre: Kann man mit dem Fahrrad auch längere Touren unternehmen oder ist die Geometrie dafür zu unbequem?
    Mit freundlichen Grüßen, Sergej Neverovski

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