Geständnis im EU-Korruptionsskandal

Eric Vidal

Im Korruptionsskandal um das Europaparlament hat einer der Verdächtigen in Untersuchungshaft Medienberichten zufolge ein Geständnis abgelegt.

Der Lebensgefährte der abgesetzten Vizepräsidentin des Europaparlaments Eva Kaili habe zugegeben, Teil einer Organisation gewesen zu sein, die von Katar und Marokko benutzt worden sei, um sich in europäische Angelegenheiten einzumischen, berichteten die Zeitungen «Le Soir» und «La Repubblica» unter Berufung auf Ermittlungsdokumente.

Die belgische Justiz ermittelt wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland im Umfeld des Europaparlaments. Seit Freitag wurden sechs Verdächtige festgenommen, von denen zwei wieder auf freiem Fuß sind. Der Termin der Haftprüfung von Kaili wurde auf nächste Woche verschoben.

Verdacht auch gegen Marokko

Kailis Lebensgefährte, bislang selbst Assistent im Büro eines italienischen EU-Parlamentariers, beschuldigte dem Bericht zufolge den ehemaligen Europaabgeordneten Pier Antonio Panzeri aus Italien, Kopf der mutmaßlichen Organisation gewesen zu sein. Beide sitzen weiter in Untersuchungshaft. Seine eigene Rolle sei gewesen, Bargeld zu verwalten, heißt es dem Bericht zufolge weiter in der Aussage. Er sagte demnach weiter, dass zwei Abgeordnete von Panzeri Geld erhalten hätten. Panzeris Anwalt antwortete auf «Le Soir»-Anfrage, er verfüge nicht über diese Informationen.

«Le Soir» und «La Repubblica» berichteten zudem, dass die Ermittlungen sich neben dem Golfstaat Katar auch auf Marokko richten. Im Europäischen Haftbefehl, der vergangene Woche für Panzeris Frau und Tochter ausgestellt worden sei, werde auch Marokko verdächtigt, «bei Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugunsten von Katar und Marokko gegen Bezahlung politisch interveniert zu haben». Dabei sei auch der marokkanische Geheimdienst involviert.

Griechische Staatsanwaltschaft nimmt Kaili ins Visier

Gegen die in Belgien unter Korruptionsverdacht stehende EU-Politikerin Kaili soll nun auch in Griechenland ermittelt werden. Die Finanzstaatsanwaltschaft habe einen entsprechenden Eilantrag für vorläufige Ermittlungen gestellt, berichtete der Staatssender ERT. Voraussetzung sei, dass die Ermittlungen sich nicht mit der Arbeit der belgischen Ermittler doppelten oder kreuzten, hieß es. Konkret soll es um Geldwäsche und Bestechung gehen. Die belgischen Behörden sollen um Zusammenarbeit und Zusendung der Akten gebeten worden sein.

Die griechischen Vermögenswerte von Kaili, ihrer Eltern und ihrer Schwestern wurden vergangenen Montag auf Anweisung der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde eingefroren. Seither nehmen die Behörden, aber auch die Medien Kailis Besitztümer unter die Lupe.

Kampf gegen Korruption wird zur Chefsache

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola macht infolge des Skandals den Kampf gegen Korruption zur Chefsache. Sie kündigte ein umfassendes Reformpaket an, das im neuen Jahr vorgelegt werden soll. «Ich werde diese Arbeit persönlich leiten», sagte sie. Unter anderem soll es strengere Regeln für Organisationen und Angehörige von Drittstaaten geben, die sich mit Parlamentariern treffen wollen. Auch ein besserer Schutz für Whistleblower wurde angekündigt.

«Es wird keine Straffreiheit geben. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Es wird kein «Business as usual» geben», betonte die Malteserin. Die Vorwürfe seien ein Schlag gegen alles, woran man seit vielen Jahren gearbeitet habe. «Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen, und nur einen Moment, um es zu zerstören», sagte Metsola.

Skandale auch in Zukunft möglich

Die Spitzenpolitikerin schloss aber nicht aus, dass es in Zukunft zu ähnlichen Skandalen kommen könnte. «Aber ich werde dafür sorgen, dass alles getan wird, um sicherzustellen, dass das Parlament nicht zum Verkauf steht», sagte sie. Konkret kritisierte sie etwa, dass es zu viele Organisationen gebe, deren Finanzierung unklar und intransparent sei. Dagegen werde man vorgehen.

Indessen will das EU-Parlament das Lobbyregister ausbauen und seine gesamte Arbeit zu Katar einstellen. Wenn die strafrechtlichen Ermittlungen in dem mutmaßlichen Bestechungsfall vorbei sind, soll auch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, hieß es in einer in Straßburg verabschiedeten Resolution.

Katar im Blick

In Bezug auf Katar soll jede gesetzgeberische Tätigkeit zunächst ausgesetzt werden; das gilt insbesondere für die eigentlich geplante Visa-Liberalisierung, aber auch für geplante Besuche. Die Zugangsausweise für Vertreter des Golfemirats werden demnach deaktiviert. Außerdem sprachen sich die Parlamentarier für eine Vermögenserklärung zu Beginn und am Ende jedes Mandats aus. Sie verpflichteten sich, für vollständige Transparenz über die genaue Höhe ihrer Nebeneinkünfte zu sorgen und jegliche externe Finanzierung ihrer Bediensteten und der Fraktionen zu verbieten.

Die Abgeordneten forderten auch neue Maßnahmen für Lobbyisten. Die Transparenzregeln sollen künftig auch für Nicht-EU-Länder gelten. Für das Lobbyregister – also die Datenbank, in der sich Interessenvertreter registrieren können – soll mehr Geld und Personal zur Verfügung gestellt werden, damit die darin enthaltenen Informationen besser überprüft werden können. Außerdem sprachen sich die Parlamentarier für einen baldigen Vorschlag der EU-Kommission für ein Ethikgremium aus.

Die Resolution wurde mit 541 Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen angenommen.

Brüssel (dpa)

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